Serpentinit
Stand der Technik
Serpentinit ist ein natürliches Gestein, welches Asbest enthalten kann und auch in der Schweiz vorkommt, insbesondere in den inneren Alpen (Wallis, Tessin und Graubünden). Wegen seinem edlen Aussehen und seiner guten Verarbeitungseigenschaften wurde Serpentinit nicht nur zur Herstellung von Speckstein-/Giltsteinöfen, Tischplatten, Küchenarbeitsplatten, Grabsteinen und Denkmälern verwendet, sondern in grösserem Umfang auch als Wand-, Sockel- und Bodenplatten, insbesondere in repräsentativen Gebäuden wie z.B. Bankgebäuden, Kirchen und Regierungsgebäuden. Aber auch an Fassaden wurden Serpentinite oftmals verbaut.
Neben der Anwendung in ganzen Platten findet man auch Bruchstücke von Serpentiniten in Kunststein und Terrazzo.
Serpentinite haben eine charakteristische Struktur (oft schlangenartig gewundene Bänder). Die Farben von Serpentinitgesteinen können sehr unterschiedlich ausfallen. Oft sind sie glänzend grün, es gibt aber auch dunkle, schwarzgrüne und hellgrüne oder graue Varietäten. Einige von ihnen weisen sogar rötlich-braune Farben auf.
Da es zur Zeit international keine einheitlichen Kriterien zur Beurteilung von Asbest in Natursteinen gibt, ist es durchaus möglich, dass ein Serpentinit, der als "asbestfrei" verkauft wird, beim Bearbeiten trotzdem erhebliche Mengen an Asbestfasern freisetzt.
Das Inverkehrbringen von asbesthaltigem Serpentinit ist in der Schweiz grundsätzlich verboten. Im Jahr 2019 wurde die Chemikalien-Risikoreduktionsverordnung ChemRRV angepasst, damit in Ausnahmefällen der Ersatz einzelner Platten/Steine möglich ist. Dazu braucht es aber in jedem Fall eine explizite Zulassung des BAFU.
Gesundheitsgefährdung
Ohne Bearbeitung
Bindungsart Asbest: Festgebunden
Selbst wenn die asbesthaltigen Serpentinite / Terrazzo Risse oder defekte Stellen aufweisen, kann davon ausgegangen werden, dass bei einer normalen Nutzung keine relevanten Fasermengen freigesetzt werden und somit keine Gesundheitsgefährdung besteht.
Die Bindung der Asbestfasern in Serpentinit ist in der Regel fester als etwa jene in Asbestzement.
Mit Bearbeitung
Zerstörungsfreie Demontage / Montage und Reinigung von Steinplatten und Werkstücken (z.B. vorgehängte Fassadenplatten, Tisch- und Küchenarbeitsplatten, Speicheröfen usw.): Keine Gefährdung (gilt nur für zerstörungsfrei demontierbare Platten). Geklebte Platten zum Beispiel sind i.A. nicht zerstörungsfrei demontierbar, vgl. unten.
Bei kleinen Arbeiten (Bohren, Ersetzen einzelner Platten) wird von einer geringen bis mittleren Faserfreisetzung ausgegangen (oranger Bereich, einige 100 bis einige 10'000 LAF/m3). Arbeitnehmer müssen sich bei solchen Arbeiten entsprechend schützen (vgl. Abschnitt Sanierung / Entfernung).
Beim Abschlagen/Abspitzen von asbesthaltigen Serpentinit-Elementen muss von einer mittleren (einige 10'000 bis 100'000 LAF/m3), beim trockenen Schleifen von einer hohen Gefährdung (100'000 bis 1 Million LAF/m3) ausgegangen werden.
Achtung bei vorgehängten Fassadenplatten, falls diese geklebt sind. Diese können i.A. nicht zerstörungsfrei entfernt werden. Zudem können die entsprechenden Mörtel(batzen) asbesthaltig sein.
Beim Rückbau mit dem Bagger kann von einer sehr geringen Faserfreisetzung ausgegangen werden. Dabei muss allerdings darauf geachtet werden, dass entsprechendes Material sauber getrennt und nicht dem Recycling zugeführt wird (vgl. Abschnitt Entsorgung). Dieses Vorgehen benötigt die Bewilligung der kantonalen resp. kommunalen Behörden (vgl. Abschnitt Sanierung / Entfernung).
Diagnostik
Materialien aus Serpentinit erkennt man grundsätzlich an ihrer Farbe und der charakteristischen Struktur (wobei es auch gewisse andere Gesteinstypen gibt, die ähnlich aussehen).
Bei kleineren Arbeiten (etwa Reparaturen, Ersetzen einzelner Platten, einzelne Bohrungen) können die Elemente in der Regel ohne Probenahme und Analyse als asbesthaltig eingestuft werden (geringe Auswirkung auf Sanierungskosten).
Handelt es sich um grössere Flächen und aufwändigere Arbeiten, kann sich eine Beprobung lohnen. Da repräsentative Beprobungen und entsprechende Analysen oftmals schwierig sind (siehe unten), werden auch grössere Mengen an Serpentiniten in der Praxis oft ohne Probenahme als asbesthaltig eingestuft.
Da die Verteilung von Asbest im Serpentinit resp. in Kunststeinplatten/Terrazzo sehr heterogen sein kann, sollten in der Theorie mehrere und grosse Proben genommen werden (mehrere Kilogramm Gestein). In der Praxis ist eine Probenahme in diesem Ausmass nicht möglich, oft ist gar keine Probenahme möglich. Die Einstufung erfolgt in diesen Fällen rein optisch als asbestverdächtig. Bei einer Probenahme sollten die bezüglich Asbest verdächtigsten Bereiche (Adern, Risse, heterogene und verformte Ebenen) beprobt werden. Unter Umständen sollte ein erfahrener Geologe hinzugezogen werden, um die Proben gezielt zu entnehmen.
Zur Analyse sollte vorgängig mit dem Labor abgeklärt werden, ob sich dieses in der Lage sieht, Natursteine zu untersuchen. Die Analytik ist aus folgenden Gründen besonders anspruchsvoll:
- Geringe Konzentrationen von Asbest (oft im Bereich von einigen ppm) und grosse Heterogenität der Verteilung. Asbestfasern können sowohl in den Klüften als auch in der kompakten Gesteinsmasse vorliegen.
- Aufgrund des Härtegrads und des Zusammenhalts des Serpentinits kann es schwierig sein die Asbestfasern aus dem Gestein zu lösen.
- Vorhandensein von Asbest und asbestähnlichen Fasern im gleichen Gestein (z.B. Serpentinite, die hauptsächlich aus Antigorit bestehen, dessen Fasern Asbestfasern sehr ähnlich sind).
- Vorhandensein von Asbest-Mineralien, vor allem der Amphibolgruppe (Tremolit, Anthophyllit, etc), die nicht die morphologischen Eigenschaften von Asbest haben, die aber bei mechanischer Bearbeitung trotzdem lungengängige Asbestfasern freisetzen können.
Im Labor wird bei einer Asbestanalyse nach Fasern gesucht. Bei Serpentinit kann es vorkommen, dass unter dem Mikroskop keine "Fasern" zu finden sind (wobei die chemische Zusammensetzung durchaus jener von Asbest entspricht). Streng nach WHO-Kriterium könnte das Material daher als "nicht asbestiform" beurteilt werden (und somit als asbestfrei). Bearbeitet man das Material aber (z.B. Schleifen), können trotzdem faserige Partikel (z.B. lungengängige Asbestfasern) entstehen, die die WHO-Kriterien erfüllen (Quelle: Freisetzung von Asbestfasern und anderen länglichen Mineralpartikeln beim Bearbeiten von Serpentinitgestein – Emissionstest und differenzierte analytische Beurteilung» von P. Steinle, M. Schafer und P. Roth im Heft «Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft Nr. 76 (2016) Nr. 5 – Mai, S. 173ff).
Sanierung/Entfernung
Die Massnahmen zum Bearbeiten von asbesthaltigem Serpentinit sind im Suva-Merkblatt 84072 detailliert beschrieben.
- Oranger Bereich:
- Einzelne Löcher bohren: FFP3-Maske, Quellenabsaugung mit H-Filter, gute Lüftung und abschliessende Reinigung des Arbeitsbereichs
- Bis max. 4 Std. Arbeitszeit: Aufrauhen, Gravieren oder Spitzen im Freien: Gebläsefiltergerät mit Vollmaske TMP3, Schutzanzug, Quellabsaugung mit H-Filter, Arbeitsbereich absperren, abschliessende Reinigung des Arbeitsbereichs
- Wenn gemäss obigen Massnahmen gearbeitet wird, werden die Vorgaben der Suva eingehalten und erhöhte Expositionen verhindert.
- Roter Bereich: Folgende Arbeiten dürfen nur in einer Unterdruckzone gemäss EKAS-Richtlinie Nr. 6503 in Zusammenarbeit mit einem Suva-anerkannten Asbestsanierungsunternehmen ausgeführt werden:
- Aufrauhen, Gravieren oder Spitzen im Freien >4 Std.
- Aufrauhen, Gravieren oder Spitzen in Innenräumen
- Schleifen oder Fräsen
- Rückbau mit Bagger:
- Der Rückbau von asbesthaltigem Serpentinit mit Bagger benötigt die Bewilligung der kantonalen resp. kommunalen Behörden. Insbesondere die Frage des Nachbarschaftsschutzes und der Behandlung des beim Rückbau eingesetzten Wassers ist vorgängig zu regeln. Das asbesthaltige Rückbaumaterial muss sauber getrennt werden und darf nicht dem Recycling zugeführt werden (vgl. Abschnitt Entsorgung). Erfahrungsgemäss ist der Einsatz von Baggern für den Rückbau von Serpentinit nur in seltenen Fällen umsetzbar (z.B. bei grossen, ungenutzten Industriearealen oder bei abseits der Zivilisation stehenden Einzelobjekten).
Entsorgung
Material, bei dem keine Asbestfasern freigesetzt werden (z.B. ganze Platten: Deponie Typ B. VeVA-Code 17 06 98.
Material, bei welchem Asbestfasern freigesetzt werden können (z.B. Schleifstaub, Spitzgut / Bruchstücke): Deponie Typ E. VeVA-Code 17 06 05 S.
Die Wiederverwendung von asbesthaltigem Serpentinit ist verboten (vgl. Stoffverordnung, Anhang 3.3).