Radioaktive Materialien in Gebäuden

Radioaktive Materialien in Gebäuden

Stand der Technik

In Gebäuden können Gegenstände und Baumaterialien verbaut sein, welche radioaktives Material enthalten und aus diesem Grund als radioaktiver Abfall entsorgt werden müssen. Vor einer Sanierung älterer Liegenschaften sollte dieser Umstand im Rahmen von Bauschadstoffuntersuchungen berücksichtigt werden.

Gemäss VVEA-Vollzugshilfe Bauabfälle sind insbesondere Brandmelder, Schalter mit radioaktiver Leuchtfarbe sowie Keramikplatten mit radioaktiver Glasur (lokal begrenzte Verbreitung) zu berücksichtigen.

Das BAG-Merkblatt mit dem Titel «Radiologische Altlasten und andere Materialien in Liegenschaften», auf welches die VVEA-Vollzugshilfe verweist, behandelt folgende Produkte:

  • Badezimmer-, Küchen- und Kachelofen-Fliesen
  • Ionisationsrauchmelder (IRM, Brandmelder)
  • Elektronenröhren und Überspannungsschutz von elektrischen und fernmeldetechnischen Einrichtungen
  • Blitzableiter mit radioaktiven Quellen
  • Schalterbeleuchtungen mit radioaktiver Leuchtfarbe
  • Liegenschaften von Uhrenherstellern mit Radiumaltlasten (wird nicht in vorliegendem Factsheet behandelt)
  • Schlacke als Schüttung in Zwischenböden

Hinweis: Für die radioaktive Belastung von Gebäuden ist in der Schweiz vor allem das natürliche Edelgas Radon verantwortlich, welches aus dem Boden ins Gebäude eindringt und seinerseits in weitere radioaktive Feststoffe zerfällt. Diese direkt geogene Belastung von Gebäuden durch Radon, als auch eine nutzungs­be­dingte Kontamination von Bauteilen mit radioaktiven Stoffen ist nicht Bestandteil dieses Factsheets.

Keramikfliesen können einen erhöhten Gehalt an natürlichem radioaktivem Material (NORM) enthalten. Dabei enthält die Glasur natürliches Uran. Betroffen davon sind die orangen Plättli der Keramikfabrik Laufen, die in den 70er- und 80er-Jahren in den Verkauf gerieten. Weiter können auch Keramikfliesen historischer Kachelöfen betroffen sein, welche bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurden.

Der Ionisationsrauchmelder (IRM) wurde von den beiden Physikern Ernst Meili und Walter Jäger bei der Cerberus AG entwickelt. Die ersten IRM kamen 1946 auf den Markt. Diese mit einer radioaktiven Substanz, die Ersten mit Radium und später meist mit Americium, ausgerüsteten Sensoren waren lange Zeit die Rauchmelder der ersten Wahl. Wegen der Radioaktivität wurden sie aber nach und nach von optischen Rauchmeldern und Wärmemeldern abgelöst. Es wird davon ausgegangen, dass ab 2000 keine radioaktiven IRM mehr produziert wurden.

Seit dem 31.12.2015 ist die Gültigkeit aller Zulassungen für IRM abgelaufen und die Fachfirmen, die bis anhin Brandmeldeanlagen mit IRM installiert oder an diesen Wartungen durchgeführt haben, wurden dazu verpflichtet, der Suva die ihnen bekannten Betreiber von Anlagen mit IRM zu melden. Ab diesem Datum dürfen grundsätzlich keine IRM mehr installiert oder ersetzt werden. Ausnahmen konnten bis spätestens dem 31.12.2018 mit entsprechender Begründung und Meldung an die Aufsichtsbehörde Suva genehmigt werden. Defekte IRM sind durch moderne Brandmelder ohne radioaktive Quelle zu ersetzen. Ist dies nicht möglich, muss die ganze Anlage ersetzt werden.

Ein Gasableiter ist eine Gasentladungsröhre mit beidseitig massiven elektrischen Kontakten (oft sind dies zugleich die Verschlusskappen), die als Überspannungsableiter dem Schutz vor Überspannungsimpulsen dient (Überspannungsschutz), wie sie z.B. aufgrund von Blitzeinschlägen in der Nähe von Netzen (Telefonnetz, Stromnetz) oder Antennenanlagen auftreten können. Auch Elektronenröhren, welche zur Erzeugung, Gleichrichtung, Verstärkung oder Modulation elektrischer Signale dienen, können radioaktives Material enthalten.

Gasableiter sind aber auch in der Leistungselektronik zu finden. In einer Röhre aus Glas oder Keramik befindet sich Edelgas, welches Spuren radioaktiver Substanzen (z.B. Radium-226, Tritium) enthalten kann, um eine Vorionisation für schnelle Abschaltvorgänge zu erreichen. Häufig wird für Gasableiter die englische Bezeichnung gas discharge tube GDT verwendet.

Vor allem in der Westschweiz wurden bis Ende der 1980er-Jahre radioaktive Blitzableiter installiert. Bei diesen Blitzschutzanlagen soll eine radioaktive Substanz durch ihre Strahlung die Luft um den metallischen Leiter ionisieren und dadurch den Blitz auf diesen lenken. Als radioaktive Substanz enthalten Blitzableiter typischerweise Radium-226 oder Americium-241 mit einer Radioaktivität von ungefähr 30 kBq bis 70 MBq. Mehrere dieser Strahlenquellen wurden dabei auf einem Masten montiert.

Radioaktive Blitzableiter sind jedoch nur sehr selten verbaut worden: in der Westschweiz bis 1965 lediglich ca. 100 bis 200 Stück [2]. Stand 2004 sind noch rund 100 radiumhaltige Blitzableiter der französischen Marke Helita vorhanden [3]. Für die Kantone Genf und Freiburg liegt ein Kataster vor.

Die schweizerische Uhrenindustrie verwendete von 1907 bis 1963 radiumhaltige Leuchtfarben. Eine radioaktive Leuchtfarbe besteht stets aus fluoreszierenden Sulfiden, die mit einer radioaktiven Substanz zum Leuchten gebracht wird. Nebst Radium-226 wurden später auch die radioaktiven Isotope Mesothorium, Radiothorium, Promethium, Strontium und ab den 1960er Jahren das weniger gefährliche Tritium zur Aktivierung des Zinksulfids verwendet.  Tritium wurde in den 1990er Jahren sukzessive durch Leuchtfarben ohne radioaktive Nuklide abgelöst. In kleine Glasampullen eingeschlossene Tritiumgasquellen werden in der Uhrenindustrie jedoch bis heute verwendet.

Solche Farben wurden jedoch nicht nur für Zifferblätter und Zeiger von Uhren, sondern auch für andere Anzeigegeräte, Markierungen an optischen Geräten und Schalter verwendet, insbesondere bei Gerätschaften für den militärischen Bereich und Flugzeugarmaturen. Aber auch in alten Liegenschaften mit Baujahr um die 1920er-Jahre oder früher können Licht- und Liftschalter sowie Steckdosen mit radioaktiver Leuchtfarbe versehen sein.

Hohlräume in Böden und Decken wurden früher zu Dämmungszwecken mit Schlacke aufgefüllt. Verbrennungsschlacken weisen gegenüber dem natürlichen Untergrund meist eine erhöhte radioaktive Strahlung auf. Durch die Anreicherung von natürlichen, radioaktiven Stoffen (NORM) oder durch die Verbrennung von radioaktiven Altlasten können diese Materialien eine erhöhte Radioaktivität aufweisen.

Ohne Bearbeitung

Übliche mineralische Baumaterialien für Häuser wie Beton, Ziegel, Klinker, keramische Platten (orangen Fliesen der Keramikfabrik Laufen, 70er und 80er-Jahre), Ofen-Kacheln, Gips und Porenbeton enthalten natürliche Radionuklide. Eine gesundheitlich relevante Strahlen­belastung für die Bewohner des Hauses entsteht dadurch normalerweise nicht. Messungen des BfS zeigen, dass die untersuchten aktuellen Bauprodukte und auch die untersuchten Naturwerk­steine, selbst bei grossflächiger Anwendung in Gebäuden in den allermeisten Fällen 200 nSv/h nicht überschreiten, im Mittel gar nur 80 nSv/h betragen. Bei 200 nSv/h und einer Aufenthaltszeit von 96 Stunden pro Woche wird der Referenzwert für bestehende Expositionssituationen (darunter fallen auch radioaktive Baumaterialien und natürliche Mineralien) von 1 mSv/a (Ausnahme: Radon) ausgeschöpft.

Gewisse Keramikplättli können in der Glasur natürliches Uran mit einer radioaktiven Aktivität über der Befreiungsgrenze enthalten (vgl. Einführung).

In Ionisationsrauchmeldern ist die radioaktive Quelle in einem leichten Gehäuse gekapselt. Die leichte Einhausung kann über lange Zeit durch Korrosion leck werden. Auch sind mechanische Schäden durch Kollision (z.B. beim Verschieben von hohen Möbeln) möglich. So kann das radioaktive Material in die Raumluft gelangen. In der Regel ist jedoch nicht mit einer Personengefährdung zu rechnen.

Solange die Gehäuse der Überspannungs-Gasableiter resp. Elektronenröhren intakt sind, besteht keine Gefährdung.

Solange radioaktive Blitzableiter unversehrt auf dem Dach eines Gebäudes stehen, stellen sie keine Gefahr dar. Wenn hingegen infolge von Korrosion oder Blitzeinschlag Teile davon herunterfallen oder Blitzableiter demontiert und im Innern eines Hauses aufbewahrt werden, können diese eine Strahlung verursachen, die die Grenzwerte überschreitet, und somit eine Gefährdung für die Bewohner darstellen.

Ältere Leuchtfarben enthielten radioaktive Stoffe mit weiter reichender Strahlung (z.B. Radium). Diese stellen insbesondere dann eine Gefahr dar, wenn die Gegenstände ständig am Körper getragen werden. Da dies bei verbauten Schaltern etc. nicht der Fall ist, ist bei entsprechenden Materialien im Gebäude nicht mit einer Personengefährdung zu rechnen.

Die direkte Strahlung der heute für Leuchtfarben verwendeten radioaktiven Substanzen hat in Luft eine Reichweite von nur wenigen Zentimetern. Eine Abschirmung wird bereits durch eine durchsichtige Abdeckung erreicht. Allerdings kann von Leuchtfarben eine Strahlungsgefahr ausgehen, wenn diese nicht mehr intakt sind.

Schlacken in der Schweiz sind nur in sehr seltenen Fällen relevant radioaktiv. Die gesundheitlichen Auswirkungen solcher Schlacke sind zum jetzigen Zeitpunkt Stand von Untersuchungen des BAG.

Mit Bearbeitung

Bei den Keramikfliesen und Leuchtfarben ist die Gefährdung abhängig von der radioaktiven Strahlung und der Bearbeitungsart. Falls radioaktiv kontaminierter Staub entsteht, besteht eine Gefährdung. Auf das Abschleifen der Glasur von orangen Fliesen oder von Leuchtfarben ist aus Sicht der potentiellen Personengefährdung zu verzichten. Im Einzelfall in Rücksprache mit dem BAG zu klären.

Schlacken: Diese Thematik ist zum jetzigen Zeitpunkt Stand von Untersuchungen des BAG.

Beim unsachgemässen Öffnen oder Demontieren von alten Installationen und Geräten mit einer radioaktiven Quelle besteht das Risiko einer erhöhten Strahlenbelastung.

In der Regel wird ohne spezifischen Verdacht im Rahmen eines normalen Gebäudechecks nicht auf radioaktive Materialien, wie z.B. radioaktive Schlacken in Zwischenböden und radioaktive keramischen Fliesen ermittelt. Bei offensichtlichen Hinweisen auf radioaktive Materialien sind diese jedoch zu ermitteln und zwingend im Bauschadstoff-Bericht zu dokumentieren.

Bei den keramischen Wandfliesen können die orangen Fliesen der Keramikfabrik Laufen (70er- und 80er-Jahre, vgl. Fotos in [1]) sowie die Kachelofen-Fliesen mit Baujahr zu Beginn des 20. Jahrhunderts betroffen sein (vgl. Einführung zu diesem Factsheet). Entsprechende Materialien sind fachlich als radioaktiv zu beurteilen und im Bericht zu erfassen.

Da eine Beurteilung zur Radioaktivität von Schlacke ohne entsprechende Messgeräte und Fachkenntnisse nicht möglich ist, kann in der Regel auf eine Abklärung vor der Entsorgung verzichtet werden. Falls die Schlacke stark kontaminiert ist, wird dies bei der Eingangsmessung in der KVA oder der Deponie festgestellt.

Ionisationsrauchmelder müssen auf der Unterseite mit dem Strahlenwarnzeichen gekennzeichnet sein, normalerweise können diese einfach durch eine Drehbewegung vom angeschraubten Sockel entfernt und wieder montiert werden. Der Anlageinstallateur kann ebenfalls Auskunft darüber geben, ob IRM verwendet wurden.

Bei Blitzableitern ist visuell zu beurteilen, ob an diesen Strahlenquellen montiert sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass dies nur in vereinzelten Fällen in der Westschweiz der Fall ist. Zudem bestehen für die Kantone Genf und Freiburg entsprechende Kataster.

Zur Erkennung / Diagnostik von Überspannungs-Gasableitern und Elektronenröhren können im Moment keine spezifischen Empfehlungen abgegeben werden.

Ob nur eine phosphoreszierende Farbe oder eine radioaktive Leuchtfarbe vorliegt, lässt sich überprüfen, indem man die Gegenstände mehrere Stunden im Dunklen lagert und dann kontrolliert, ob sie weiterhin leuchten. Radioaktive Substanzen erzeugen ihre Leuchtenergie selbst und leuchten unabhängig von Lichteinfall. Dieser Effekt ist aber nicht in jedem Fall gegeben. Eine eindeutige Erkennung solcher Leuchtfarbe ist nur mit einer Messung der Dosisleistung möglich.

Grundsätzlich können alle erwähnten radioaktiven Quellen mit einem entsprechenden Geiger-Müller-Zähler lokalisiert werden. Das BAG leistet Unterstützung bei der Identifikation von radioaktiven Materialien gemäss vorliegendem Factsheet.

Das Vorgehen und die Schutzmassnahmen bei einer Entfernung radioaktiver Keramikfliesen ist abhängig von der radioaktiven Strahlung und der Bearbeitungsart. Auf das Abschleifen der Glasur von orangen Fliesen ist aus Sicht der potentiellen Personengefährdung zu verzichten. Im Einzelfall ist das Vorgehenskonzept in Rücksprache mit dem BAG zu klären.

Der Umgang mit resp. die Demontage von Installationen und Geräten, die eine radioaktive Quelle beinhalten, ist Fachleuten vorbehalten, welche dafür die entsprechende Bewilligung vom BAG besitzen. Die Demontage ist zudem mit dem BAG abzusprechen. Die Demontage und die Entsorgung von Ionisationsrauchmeldern sollten Fachleute der Firma, welche die Anlage installiert hat oder ersetzen wird und dafür die entsprechende Bewilligung vom BAG besitzt, überlassen werden. Diese Firma wird der Suva auch die Streichung aus der Liste der Betreiber von Anlagen mit IRM melden. Ist der Anlageinstallateur nicht bekannt und es gibt keine Neuinstallation, gibt das BAG Auskunft zu den Entsorgungsmöglichkeiten.

Die Entsorgung der radioaktiven mineralischen Abfälle (Fliesen, Schlacken) ist im Einzelfall zu klären. Das BAG leistet Unterstützung bei der korrekten Demontage und Entsorgung von radioaktiven Materialien gemäss vorliegendem Factsheet.

Gemäss Art. 114 resp. 169 der Strahlenschutzverordnung (StSV) vom 26. April 2017 ist die Ablagerung in einer VVEA-konformen Deponie grundsätzlich möglich. Wegleitungen zur Anwendung der Artikel 114 und 169 sind derzeit in Arbeit. Auf jeden Fall dürfen ohne die Zustimmung des BAG und des Standortkantons keine radioaktiven Abfälle in Deponien, die nicht für radioaktive Abfälle bestimmt sind, entsorgt werden.

Der Eigentümer ist verantwortlich, dass seine IRM, radioaktiven Elektronenröhren / Überspannungsableiter, ionisierenden Blitzableiter und Teile mit radioaktiver Leuchtfarbe ordnungsgemäss entsprechend der Strahlenschutzverordung (StSV) in Absprache mit dem BAG entsorgt werden. Diese radioaktiven Abfälle dürfen keinesfalls an Abfall- oder Recycling-Sammelstellen übergeben werden.

Fotos
18 März 2022