Chlorparaffine in Fugendichtungsmassen und Montageschäumen
Chlorparaffine in Fugendichtungsmassen und Montageschäumen
Chlorparaffine (CP) sind Mischungen aus polychlorierten Alkanen. Dabei können kurzkettige (mit 10-13 Kohlenstoffatomen), mittelkettige (mit 14-17 Kohlenstoffatomen) und langkettige (mit 18 bis 30 Kohlenstoffatomen) CP unterschieden werden.
CP wurden in diversen Bauprodukten u.a. als Weichmacher und Flammschutzmittel eingesetzt. Nach dem Verbot von PCB in offenen Anwendungen im Jahr 1972 wurden als Ersatz in Fugendichtungsmassen ebenfalls oft CP eingesetzt. Bis heute dürfen gemäss Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung, ChemRRV neue Gegenstände mit bis zu 0.15 % kurzkettigen CP in Verkehr gebracht werden..
Gemäss der Vollzugshilfe der VVEA «Modul Bauabfälle» sind Fugendichtungsmassen die zwischen 1972 und 1990 eingebaut wurden auf Chlorparaffine (CP) zu untersuchen. In der Vollzugshilfe wird dabei keine Unterscheidung zwischen kurz-, mittel- oder langkettigen CP gemacht (vgl. Abschnitte Diagnostik und Analytik). Bisher wurden bei Schadstoffuntersuchungen CP lediglich in einzelnen Kantonen (z.B. BL/BS und BE) erfasst. Gemäss Vollzugshilfe ist eine entsprechende Ermittlung nun in der ganzen Schweiz durchzuführen.
Gemäss Vollzugshilfe sind im weiteren auch Montageschäume als CP-haltig zu klassieren.
Keine Untersuchungspflicht besteht gemäss Vollzugshilfe für CP in Farben / Anstrichen.
Gesundheitsgefährdung
Ohne Bearbeitung
CP gehören zu den POP (persistente organische Schadstoffe). Sie werden in der Umwelt schlecht abgebaut und tendieren zur Bioakkumulation. Als toxisch relevant gelten insbesondere die kurzkettigen CP.
Kurzkettige CP sind sehr toxisch für Wasserlebewesen, bereits ab Konzentrationen von einigen μg pro Liter zeigen sich negative Auswirkungen. Die geschätzte Konzentration von kurzkettigen CP in Schweizer Flüssen ist 0,1 μg.
Ab einer oralen Aufnahme von 100 mg pro Tag und kg Körpergewicht lösen kurzkettige CP in Ratten und Mäusen Krebs aus. Kurzkettige CP sind in der Nahrungskette enthalten, reichern sich aber entlang dieser nicht an. Menschen nehmen pro Jahr etwa 3 mg kurzkettige CP auf. (Quelle: Schriftenreihe Umwelt, NR. 354, Bundesamt für Umwelt BAFU 2003).
Diagnostik
Fugendichtungsmassen ab Einbaujahr 1972 (bis 1990) und ab einer Bagatellgrenze von 10 Laufmetern pro Bauvorhaben sind auf CP zu untersuchen (gemäss «Modul Bauabfälle, Kapitel 3.1).
Die Vollzugshilfe unterscheidet dabei nicht zwischen kurz-, mittel- und langkettigen CP. Aus Entsorgungssicht ist eine entsprechende Unterscheidung nicht relevant.
Empfehlung: Die Vollzugshilfe verlangt eine Untersuchung in Fugendichtungsmassen ab 1972. Da es Hinweise gibt, dass CP auch vor 1972 parallel zu den PCB eingesetzt wurde und da das Einbaujahr der Fugen oft unbekannt ist, empfehlen wir CP in allen Fugendichtungen zu analysieren (unabhängig vom Einbaujahr).
Pro Anwendungszweck und/oder visuell unterscheidbarer Anwendung ist ab einer Bagatellmenge von 10 Laufmetern je eine Probe zu entnehmen. Sind grosse Mengen einer Fugenart (gleiche Funktion, gleiches Alter und Aussehen) im Gebäude vorhanden, z.B. über mehrere Stockwerke oder repetitiv in einer grossen Anzahl derselben Art Bauteile, sind pro Fugentyp mindestens zwei, evtl. auch mehrere Proben an unterschiedlichen Orten zu entnehmen.
Für die Probenahme wird die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung (Einweg-Schutzhandschuhe) empfohlen. Das verwendete Probenahmewerkzeug (z.B. ein Cutter) soll nach jeder Probenahme gewechselt oder gereinigt werden (trocken oder mit Aceton, damit keine sichtbaren Rückstände mehr auf dem Werkzeug), um Verunreinigungen zu vermeiden.
Es wird empfohlen, die Probe in einem Glasgefäss oder einer Aluminiumfolie und dann in einem Plastikbeutel zu verpacken. Wichtiger als die Verwendung eines Glasgefässes oder einer Aluminiumfolie ist hingegen die Dichtigkeit der Verpackung.
Montageschäume müssen (und können in der Regel im Rahmen der Untersuchung) nicht untersucht werden. Entsprechende Materialien können standardmässig als CP-haltig klassiert werden. Sollen Montageschäume als CP-frei klassiert werden, so sind entsprechende repräsentative Analysen im Objekt nötig.
Es sind sämtliche Chlorparaffine (aller Kettenlängen) in der Analyse zu berücksichtigen. Quelle: Analysemethoden für Chlorparaffine für den Vollzug umweltrechtlicher Vorschriften, Christian Bogdal, ETH Zürich, 2018.
Sanierung/Entfernung
CP-haltige Fugendichtungsmassen mit >10'000 mg/kg CP-Chlor müssen, sofern vom Um-/Rückbau betroffen, vorgängig entfernt werden.
Für die Entfernung gibt es keine spezifischen Regelungen zum Personen- und Umweltschutz. In Anlehnung an die Regelungen zum Umgang mit PCB-Fugendichtungen empfehlen wir folgendes Vorgehen: Für die Entfernung der Fugen ist eine Personenschutzausrüstung (Maske/Handschuhe) erforderlich. Um eine Kontamination der Umgebung mit CP-haltigen Fugendichtungsmassen zu vermeiden, ist der Untergrund dicht mit Folien abzudecken. Hitze- und stauberzeugende Arbeiten an belasteten Fugen und Fugenflanken sind zu vermeiden. Die Entfernung kann z. B. mit oszillierendem Messer erfolgen. Die Fugendichtungsmasse inkl. Hinterfüllung (in der Regel Schaumstoff) ist möglichst vollständig zu entfernen (d.h. zu wesentlich mehr als 90 %, analog zu den Vorgaben der Richtlinie PCB-haltige Fugendichtungsmassen des BAFU, 2003).
Aus Kosten/Nutzen-Überlegungen kann i.A. auf einen Abtrag der CP-belasteten Fugenflanke verzichtet werden (es bestehen keine entsprechenden abfallrechtlichen Grenzwerte für CP für den mineralischen Untergrund). Bei der Erneuerung von Fugendichtungsmassen mit höheren CP-Konzentrationen und der damit verbundenen Rückkontamination der neuen Fugendichtungsmasse aus porösen Fugenflanken, kann ein Abtrag der Fugenflanke in Einzelfällen sinnvoll sein (u. A. bei hohen Konzentrationen, wegen sensibler Nutzungen wie in Schulhäusern, wenn bei Renovationen in grösserem Umfang Fugenflanken bearbeitet werden müssen; Sanierung z. B. in einer Sanierungszone mit Filterung der Abluft).
Entsorgung
Die Entsorgung der chlorparaffinhaltigen Fugendichtungsmassen erfolgt bei <10'000 mg/kg CP in einer Kehrrichtverbrennungsanlage als brennbarerer Bauabfall), bei >10'000 mg/kg CP in einer Sonderabfallverbrennungsanlage (VeVA-Code 17 09 03 S).
Gemäss VVEA-Vollzugshilfe sind Montageschäume vor einer Entsorgung von nichtbrennbaren Bauteilen zu trennen und in einer KVA mit Bewilligung thermisch zu entsorgen.
Fugendichtungsmassen:
- <10'000 mg/kg CP: KVA
- >10'000 mg/kg: Sonderabfallverbrennungsanlage, VeVA-Code 17 09 03 S.